Wozu lädt dich diese Quarantäne ein?

Hier zeige ich euch Antworten von Menschen, die dieser Frage im Podcast „Evas & Adanes“ aus La Guajira, Kolumbien nachgekommen sind. In deren aktuellen Podcast-Folgen erfahrt ihr, welche Einsichten und Möglichkeiten die Quarantäne für die Menschen vor Ort, sowie weltweit, bietet. Unter der Frage „Wozu lädt dich diese Quarantäne ein?“ haben Alejandro und Ana Teresa verschiedene Leute über die sozialen Medien um kurze ein-minütige Statements gebeten, die einerseits Mut machen und andererseits zeigen, wie wir alle miteinander verbunden und verletzlich sind.

Alejandro und ich vor einem Auto mit Maismehl beim Karneval in Barranquilla 2012

Alejandro, den Host des Podcasts (siehe Foto oben), kenne ich aus Kolumbien, wo wir erst zusammen bei der Organisation „Actuar por Bolívar“ in Cartagena gearbeitet und anschließend an der Universidad del Norte in Barranquilla Journalismus studiert haben. Alejandro ist Kolumbianer und kommt aus Mompós, einer Stadt im Norden des Landes. Mit Alejandro habe ich so viele tolle Erlebnisse geteilt, vom Besuch des Karnevals in Barranquilla bis hin zu Tanz-Wettbewerben der Uni. Falls ihr euch fragt warum ich neben einem dreckigen Auto pose: Das mit dem Posen kann ich euch auch nicht wirklich erklären, aber das Auto ist wegen all des Maismehls so weiß, das während des Karnevals in Barranquilla herumgeworfen wird.

Radio und Podcast mit Gender-Perspektive: Evas & Adanes

Zusammen mit seiner Partnerin Ana Teresa, die aus La Guajira stammt, moderiert Alejandro nun auf Spanisch das Radioprogramm „Evas & Adanes“, zugehörig zur gleichnamigen Assoziation und ausgestrahlt von der Uniguajira. Das Besondere an diesem Radioprogramm ist, dass es mit einer Gender-Perspektive verschiedene soziale Themen beleuchtet, mit dieser Perspektive mit speziellen lokalen Gästen spricht und auch Musik und alternative Sichtweisen und Strategien vorgestellt werden. Zu hören gibt es das ganze HIER.  

Charakteristische Landschaft des kolumbianischen Departments La Guajira (Foto von Alejandro de la Hoz)

La Guajira – gemeinsam gegen Ungleichheit, Unterentwicklung und Korruption

La Guajira ist ein Departement im Norden Kolumbien, das an Venezuela angrenzt und von Wüstenlandschaften, riesigen Sanddünen und den abgelegenen Fischerdörfern und Ranches der Wayúu-IndianerInnen geprägt ist. Zudem befindet sich in La Guajira die größte über Tage liegende Kohlemine der Welt, namens Cerrejón. Laut Alejandro und Ana Teresa könnte diese Mine eine Stadt wie Las Vegas aufrechterhalten könnte. Dadurch gäbe es sehr viel Kohleabbau, der nicht nur ökologische sondern auch sozio-ökonimische Auswirkungen hat. Die Einnahmen des Bergbaus würden nicht in der Region und der Bevölkerung ankommen und im Gegenteil, ist weiterhin viel Armut und Ungleichheit zu sehen.

Die Hauptstadt Riohacha hat ein Küstengebiet mit Palmen, Stränden und Kunsthandwerksständen. Es dient auch als Ausgangspunkt für den Abenteuertourismus in der Region. Alejandro und Ana Teresa betonen, dass La Guajira eine Region sei, die lange Zeit rückständig war und sich nur sehr wenig entwickelte. Von Ungleichheit, Armut, Bergbau und Korruption beeinflusst, dachten viele Leute, dass die Region dazu verdammt sei, in Vergessenheit und Unterentwicklung zu verbleiben.

Aus diesem Grund verfolgt das Programm „Evas & Adanes“ auch das Ziel, die guten Seiten dieser Region und der Bevölkerung vor Ort hervorzuheben und zu zeigen, dass es in La Guajira Talente und Unternehmen gibt, die zur Entwicklung der Region beitragen. Sie möchten auch zeigen, dass Entwicklung nicht nur von der Regierung, sondern auch von der Zivilgesellschaft abhängt. Ein negatives Bild bleibt vielen außerdem im Kopf aus den 80er Jahren, als La Guajira, durch seine geographische Lage, berüchtigt war für den Anbau von Marihuana.

Indigene Gemeinden und UNESCO Weltkulturerbe

Es ist auch ein Territorium, das von unterschiedlichen indigenen Gemeinden bewohnt wird, die Mehrzahl davon sind die Wayúu. Da ein Teil der Sierra Nevada zu La Guajira gehört, wird das Territorium ebenso von Kogi-IndianerInnen und Arhuacos bewohnt.

Ana Teresa und die Statue des Palabrero Wayúu in La Guajira

Auf dem Foto seht ihr Ana Teresa und die Statue des „Palabrero Wayúu“, eine Hommage an eine ikonische Figur innerhalb der Wayúu-Kultur. Es handelt sich dabei um eine Person, eine Art Mediator, der mit Worten die Streitigkeiten zwischen verschiedenen Klans schlichtet und zwischen diesen vermittelt. Der Palabrero Wayúu wurde im Jahr 2010 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt.

Wie Alejandro betont, der laut eigener Aussage zwar aus Mompós stammt, sich aber mittlerweile wie ein Guajiro fühle, seien sie mehr, als die Geschichten, die sich erzählt werden, mehr als die offiziellen Kennziffern der Region und mehr als das Thema der Korruption. Sie seien Initiative, die aus der Zivilgesellschaft stammt.

Das Programm „Evas & Adanes“ wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, im Regionalradio einen Lehrraum zu sozialen Fragen aus der Gender-Perspektive zu schaffen. Aus diesem Grund konnte der Verein „Evas & Adanes“ aus dem Radiosender Uniguajira Stereo einen Raum schaffen, der die Kämpfe rechtfertigt und sich mit dem widerstandsfähigen Geist des Guajiro verbindet. Es geht auch darum, eine hoffnungsvolle Sichtweise zu vermitteln, bei der Themen vorherrschen, die aus der Kommunikation eine gleichberechtigte und gerechte Gesellschaft aufbauen.

Das Programm hat kein wirtschaftliches Interesse oder Sponsoring und dient als Plattform zur Erfüllung einer akademischen und pädagogischen Mission, sowie zur Veröffentlichung inspirierender Geschichten, die aus der Bürgerschaft erzählt werden. Ebenso unterstützen das Programm neue musikalische Talente (Frauen und Männer), die aus der transformierenden und inspirierenden Kraft der Musik einen Beitrag zum sozialen Gefüge leisten.

Auch versuchen sie über soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook und Twitter, die Bevölkerung zu erreichen, die sich in anderen Regionen oder Ländern aufhält.

IM PROGRAMM BEHANDELTE THEMEN:

  • Geschlechtsspezifische Gewalt: Feminizid, häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Belästigung am Arbeitsplatz und andere Erscheinungsformen.
  • Empowerment
  • Unternehmertum (ethnisch, sozial, kulturell)
  • Identität
  • Pflegewirtschaft
  • Training in durchsetzungsfähiger Kommunikation: Gewalt benennen können
  • NON-Gender-Kommunikation
  • Soziale Gleichheit
  • Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter
  • Soziale Freiwilligenarbeit
  • Musik aus einer Gender-Perspektive
  • Öffentliche Politik
  • Kunst, Kultur und Bildung
  • Eingliederung

(siehe http://www.evasyadanes.com/programa-radial/)

Ein Aufruf, nachzudenken und uns aus verschiedenen Perspektiven neu zu erfinden, jetzt, da wir „Zeit“ haben. 

„Evas y Adanes programa radial“, ein Podcast, in dem Angie Rosero aus Spanien, Fabrina Acosta aus Bogotá, Alejandro de la Hoz und Ana Teresa aus Barranquilla eine wöchentliche Radioübung vorstellen, in der sie über aktuelle Themen aus einer Gender-Perspektive reflektieren, die guten Dinge hervorheben, die in ihrem Gebiet geschehen und Hoffnung für La Guajira aus einer globalen Perspektive weben.

Die Podcast-Folge „Repensemos a la Guajira en cuarentena“ (auf Deutsch “Lasst uns das unter Quarantäne gestellte Guajira neu überdenken“) vom 9. April, mit Alejandro De la Hoz und Ana Teresa Puente lädt dazu ein, nicht nur über diese Region in Zeiten des Coronavirus zu denken, sondern generell über das eigene Leben in diesen unvorhersehbaren Zeiten, in denen wir uns an Restriktionen halten müssen, die die Auswirkungen sowohl auf die öffentliche Gesundheit als auch auf die sozioökonomische Lage verringern.  Es ist ein Aufruf, nachzudenken und uns aus verschiedenen Perspektiven neu zu erfinden, jetzt, da wir „Zeit“ haben. 

Was trägt dazu bei, in der Quarantäne einfühlsame Bindungen herzustellen? Alejandro und Teresa leiten diese Ausgabe mit dem Lied „Latinoamérica“ von Calle 13 (aus dem Jahr 2010) ein, einer Hymne, die der Fähigkeit der Latinos gewidmet ist, jedes Hindernis zu überwinden.

Strand im Norden Kolumbiens

Wozu lädt die aktuelle Coronavirus- Situation die Menschen in Kolumbien, Lateinamerika und der Welt ein?

Gedanken der HörerInnen:

  • Über sich selbst, Solidarität und die eigene Verpflichtung nachdenken, die man gegenüber dem Planeten hat
  • Mit der Familie Zeit verbringen oder jemanden anrufen, der gerade alleine ist oder der sich einfach über den Anruf freuen würde
  • Zeit um Neues zu lernen und das zu machen, was einem Spaß bereitet
  • Sich mit dem Thema Tod und Vergänglichkeit auseinandersetzen und für alles dankbar sein, was man im Leben hat
  • Sich bewusst machen, dass die eigene Isolation zurzeit der größte Akt der Empathie ist
  • „Auf Arbeitsebene scheint das Thema Homeoffice erst cool zu sein, aber man vermisst das Büro, man vermisst eine Menge Dinge“
  • Herausfinden, welche Personen oder Unternehmen umstrukturiert werden oder virtuelle Angebote haben – versuchen, diese Personen und Anbieter zu unterstützen. Als Elternteil auch die LehrerInnen unterstützen, die den Unterricht der Kinder online vorbereiten müssen.

Ein Hörer erzählt davon, wie er Zeit mit seiner kleinen Tochter verbrachte, die plötzlich beim Malen ganz wütend wurde. Der Grund war, dass ihr das Bild vom Einhorn nicht so gelang wie sie wollte. Daraufhin erklärte ihr der Vater, der Musiker ist, dass er auch nicht von Anfang an der beste Künstler war und es etwas Geduld und Übung braucht.

So kann auch uns diese kleine Geschichte uns daran erinnern, in dieser schwierigen Zeit mit uns selbst und unserer Familie, unserem Partner oder unserer Partnerin geduldiger und nachsichtiger zu sein. Jetzt ist nicht die Zeit für Strenge und Perfektionismus, sondern für Achtsamkeit, Geduld, Entspannung und (Selbst-)Liebe. Und dafür auf unsere Kommunikation zu achten, sei es persönlich oder in den sozialen Medien. Denn wie Alejandro und Ana Teresa es vormachen, ist auch jetzt eine gute Zeit, um sich zu verknüpfen und gemeinsam eine gleichberechtigte und gerechte Gesellschaft aufzubauen.

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