Hier erfahrt ihr, dank einer Mischung aus persönlichen best und worst cases, in welche Fettnäpfchen ich schon getreten bin und wie ihr diese vermeiden könnt, wie man auf Reisen authentisch bleibt ohne negativ aufzufallen und wie man des Beste aus jeder Reise macht.
Die Erfahrungen, die man innerhalb von längeren Auslandsaufenthalten macht, prägen einen für das gesamte Leben. Mein persönlicher Erfahrungsschatz in Cartagena, an der Karibikküste Kolumbiens, beinhaltet neben der eigenen persönlichen Entwicklung vor allem einen interkulturellen Austausch mit Menschen aus ganz Kolumbien, sowie aus den USA, Japan, Spanien und der Schweiz. Dank des weltwärts-Freiwilligendienstes hatte ich im Jahr 2011 (OMG schon fast 10 Jahre her!!) die Möglichkeit, ein ganzes Jahr lang in einem für mich zu dieser Zeit bisher unbekanntem Land zu leben, in einem Kindergarten zu arbeiten, mit anderen internationalen Freiwilligen zusammenzuwohnen und in die Kultur vor Ort einzutauchen. Und glaubt mir: Ich habe das Beste aus der Zeit gemacht und habe eine Menge Tipps für euch!
Was ist die beste Art und Weise ein Auslandsjahr zu verbringen?
Mit einer Gleichgesinnten und Gleichverrückten, die mit einem durch dick und dünn geht! Mit Hannah aus Hamburg habe ich nicht nur in demselben Projekt in Cartagena, Kolumbien gearbeitet, sondern auch zusammengewohnt. Das ist nun schon wieder so lange her und trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, als sei es erst gestern gewesen! Nachdem Hannah und ich uns auf dem Vorbereitungstreffen in Berlin kennengelernt hatten, ging es einige Monate später los nach Kolumbien.

Ich war so aufgeregt und voller Vorfreude auf die bevorstehenden Abenteuer, aber hatte auch unendlich viele Fragen an die Freiwilligen, die vor uns in dem selben Projekt gearbeitet haben und deren letzte Woche sich mit unseren ersten Tagen überschnitt. Als Hannah und ich am Flughafen von Cartagena ankamen, war es schon Abend und beim Aussteigen kam uns eine Welle schwül-warmer Luft entgegen. Wir wurden von einem Mitarbeiter der Organisation abgeholt und in unsere Wohnung gebracht, wo schon die anderen zwei deutschen Vorgängerinnen semi-begeistert auf uns warteten.
Hannah konnte nach einer Weile mit ihrer Lässigkeit punkten- ich dagegen nicht. Ich löcherte die zwei Mädels über deren Tagesablauf, kolumbianische Kultur, wo man Geld abheben könne, öffentliche Verkehrsmittel, Sicherheit, worauf wir achten müssten etc. und habe damit sofort den Stempel als Nervensäge bekommen. Hannah war ganz cool und hatte nur eine Frage: „Kann ich hier rauchen?“. Die zwei Freiwilligen gingen daraufhin mit ihr vor die Tür zum Rauchen und ich folgte ihnen um weitere lebenswichtige Fragen zu stellen und den Rauch vor meinem Gesicht weg zu wedeln.
Erst einmal abwarten und beobachten

So neugierig und unternehmungslustig wie ich war, so vorsichtig war ich auch. Meine Strategie für die erste Zeit war es, erst einmal abzuwarten und zu beobachten. Wie verhalten sich alle hier? Wie ist so die Rangordnung auf Arbeit? Wie sprechen hier alle? Wo finde ich was in der Umgebung? Am Gymnasium war ich immer die Klassenbeste im Spanischkurs und hatte die Sprache dann auch als Leistungsfach belegt – in Cartagena verstand ich plötzlich nur noch Bahnhof, da der Akzent so stark ist und es sich anhört, als würden alle mit einer Kartoffel im Mund sprechen. Sehr suspekt waren mir auch viele kolumbianische Männer, die uns ganz offen auf der Straße hinterherpfiffen oder anflirteten. Nicht selten mit sehr direkten Angeboten. Am Anfang reagierte ich noch höflich lächend mit „No, gracias“ aber nach einer Weile ging ich über in volles Ignorieren oder böses Gucken (was ich nicht kann und bei mir so aussieht als wäre ich nur schlecht gelaunt).
Das Projekt in dem wir arbeiteten lag in einem estrato 2. Die Städte Kolumbiens sind in Schichten (estratos) eingeteilt. Von eins bis sechs. In der untersten, der ein, zwei und drei leben die Bürger*innen, die Subventionen in den Dienstleistungen (Wasser, Gas, Licht) erhalten. In den höchsten, fünf und sechs, diejenigen, die diese Subventionen mit Rechnungen bezahlen, die höher sind als ihr Verbrauch (vgl. Marcos 2018: o.S.).
Alltag außerhalb der touristischen Zone
Das Viertel Canapote, in dem wir lebten, lag etwas außerhalb des touristischen Stadtzentrums, mit dem Auto ca. 15 Minuten entfernt. In Canapote gab es absolut nichts, abgesehen von der Organisation Actuar por Bolívar, in der wir arbeiteten. Die Gegend bestand aus sandigen Wegen, flachen Häuschen und ein paar Kiosken. Genau vor dem Eingang des Kindergartens befand sich ebenfalls ein kleiner Kiosk, vor dem eine riesige Stereoanlage stand, aus der von früh bis spät Salsa, Reggaeton, Vallenato und Champeta drang. Und das war eine der Sachen, die ich sogar richtig genoss! Erstens, weil ich die Musik sowieso mochte und zweitens weil ich das so entspannt fand und einfach die Stimmung komplett anders als in Deutschland war. Manchmal gingen Hannah und ich zum Kiosk und kauften einzelne Zigaretten (ich wurde mit der Zeit nämlich auch „cooler“), Kaugummis, Schokoriegel oder, wenn wir einen „guayabo“ (Kater, wie er in Kolumbien genannt wird) hatten, weil wir am Vorabend mit Freunden Rum-Cola getrunken hatten, ein Päckchen „Bonfiest“ – ein Pulver, ähnlich wie die Brausetabletten Alka Seltzer gegen den Kater.
Neue Freunde, neue Erlebnisse
Irgendwann waren die anderen „alten“ Freiwilligen weg und es kamen weitere: aus Spanien und der Schweiz. In unserer Wohnung war es ein interkultureller, europäischer Mischmasch ohne Privatsphäre. Es gab eine Wendeltreppe die das erste Stockwerk mit dem oberen Stockwerk verband. Türen gab es nicht – nur zur Toilette und die Wohnungstür. Auf jeder Etage standen 3 Betten und es gab jeweils ein Bad. Die Küche war oben und ständig schimmelte irgendetwas vor sich hin und zog Kakerlaken, weil irgendjemand (einschließlich mir) vergessen hatte, dass Essen ordentlich wegzupacken und vor der hohen Luftfeuchtigkeit zu schützen. Und so verging die erste Zeit: Tagsüber arbeitete wir im Kindergarten und am Nachmittag, als wir frei hatten, trafen wir uns mit Freunden oder verbrachten die Zeit einfach zu Hause und schauten kolumbianisches Fernsehen und US-Serien.

Oft fuhren wir auch mit einem Bus oder Taxi ins Stadtzentrum um den Einkauf zu erledigen oder uns mit Freunden zu treffen und einen „jugo“ (frisch gepresster Saft aus karibischen Früchten wie Corozo, Guayaba, Guanábana, Maracuya oder Tomate de árbol) zu trinken und abends auf einem der Plätze zu sitzen und Arepas zu essen. Ich liebte Arepas und aß fast jeden Tag welche, die direkt an kleinen Ständen auf der Straße verkauft wurden! Es sind frittierte Maismehl-Fladen, die entweder mit Ei, Kartoffeln, Käse oder Fleisch gefüllt sind. Meine Favoriten waren die Arepas de huevo (mit Ei), die so gut schmeckten und mich gar nicht merken ließen, wie schnell ich Gewicht zunahm und selbst fast wie eine Arepa aussah!

An den Wochenenden erkundeten wir weiter die Umgebung, hingen auf den Plätzen in der Altstadt rum, tranken Cuba Libre oder ein Bier an den Mauern der Altstadt, mit Blick aufs Meer.

An anderen Tagen fuhren Hannah und ich an den Strand um dort zu baden, uns zu sonnen und eine typische Mahlzeit Cartagenas zu essen: Mojorra frita con patacones y arroz de coco! Frittierte Mojorra (an der Kolumbianischen Küste gängige und beliebte Fisch-Art) mit ebenfalls frittierten Kochbananen (davor in grobe Stücken geschnitten und in flache „Taler“ gedrückt) und Kokos-Reis. Soooo lecker! Ich könnte problemlos mein Leben lang von Kochbananen und Kokos-Reis leben! Und dazu passte ein kaltes, kleines kolumbianisches Bier namens Costeñita.

Manchmal nahmen wir auch, unerlaubterweise, ein Mototaxi um zu Freunden in weiter entfernte Viertel zu fahren. Das ist der Transport auf Motorrädern, bei dem man sich auf den hinteren Sitz setzt und am Fahrer festhalten muss, obwohl man diesen nicht kennt, und bezahlt dann ein paar Pesos – geht schneller als Busfahren und ist günstiger als ein richtiges Taxi). Mit den für uns eigentlich verbotenen Mototaxis fuhren wir in ein anderes Viertel um dort mit Freunden Zeit zu verbringen und auf deren Terrasse, auf einem Platz oder vor einem Kiosk Bier zu trinken. Das wir uns dort aufhielten wurde, zumindest von der Organisation in der wir arbeiteten, nicht gut geheißen und eigentlich auch nicht erlaubt, da es für Hannah und mich als deutsche junge Frauen zu gefährlich sei. Diese Sorge ist einerseits verständlich, da es sich um etwas ärmere und untouristische Gegenden handelte, aus denen teilweise auch Nachrichten über Überfälle und Verbrechen kamen, aber andererseits wollten wir das „wahre, authentische Leben“ vor Ort erleben und nicht nur die für den Tourismus verschönte Altstadt sehen.
Wie verhält man sich richtig, ohne negativ aufzufallen, man selbst zu bleiben und gleichzeitig neugierig und mutig Neues zu entdecken?

Zu dieser Zeit hatte ich zwar meine Bedenken und war auch vorsichtig, so waren wir immer mit einer Gruppe „Locals“ unterwegs, doch ich sah auch kein Problem darin, alleine mit Hannah auf diesen Mototaxis in das Viertel zu düsen und uns mit Typen abzugeben, in die wir uns zwar Hals über Kopf wegen deren Coolness verliebten, die in uns aber nur leichte Beute sahen. Das alles klingt jetzt vielleicht etwas erschreckend, aber ich muss dazu sagen, dass uns NIE etwas passiert ist. Im Nachhinein gesehen denke ich, dass wir definitiv manchmal zu naiv waren, aber andererseits haben wir auch eine ehrlichere Seite Cartagenas und der Kultur kennengelernt und egal wo wir uns mit Freunden aufhielten, wir wurden immer beschützt.
So gab es auch in dem Viertel, in dem wir arbeiteten, viele Angestellte der Organisation, die dort lebten und den Auftrag hatten, immer ein Auge auf die Freiwilligen zu richten, die manchmal so wie wir etwas blauäugig durch die Gegend spazierten. Da es keine Angestellten in den anderen Viertel fernab der touristischen Altstadt gab, die auf uns hätten aufpassen können, war unsere Chefin oft zurecht beunruhigt, wenn sie wieder erfuhr, dass Hannah und ich entgegen ihrer Warnung ein Mototaxi genommen hatten. Dies führte irgendwann auch zu der Drohung unseres Rausschmisses von Seiten der Organisation. Ärger bekam ich auch, als ich beschloss, eine Baby-Straßenkatze in der Wohnung zu verstecken und aufzupäppeln. Das galt nicht als hilfsbereit oder süß (so sah ich es) sonst als unrein und einfach gegen die Regeln. Und ja, ich wusste auch, dass sich das nicht gehörte bei einer Wohnung, die für die Freiwilligen von der Organisation gestellt wurde und nicht meine eigene war. Oft eckten wir mit unserem Verhalten an: mit unserem Drang nach Selbstbestimmtheit und Bewegungsfreiheit, unserer Neugier, unserer Naivität, unserem Ziel, alles erkunden zu wollen, obwohl einige Transportmittel und Gegenden als „unsicher“ galten, unserer Direktheit, dem vielen Rauchen und Trinken oder mit spontanen Tätowierungen.
Ich denke, egal wo und wie lange man eine gewisse Zeit im Ausland verbringt: Man wird immer als Fremde oder Fremder auffallen. Und das ist auch nicht schlimm. Es sei denn man fällt negativ auf. Ich bereitete mich, so glaubte ich zumindest, bis aufs kleinste Details für mein Jahr in Kolumbien vor: jahrelanger Spanischunterricht, einige Unterrichtsstunden Salsa-Tanzen, Geld gespart, Sommer-Outfits im Gepäck, sämtliche Versicherungen abgeschlossen und eine offene und neugierige Einstellung. Das sind schon einmal gute Voraussetzungen, doch trotz aller Bemühungen, so einheimisch und untouristisch wie nur möglich zu wirken, fiel ich trotzdem als Deutsche auf. Einmal wegen meines deutschen Aussehens (da hielfen mir auch dunkle Haare nicht), als auch wegen meines Schulspanischs und meines Verhaltens. Mein Verhalten war in Kolumbien nicht anders als in Deutschland, im Gegenteil, ich sprach und handelte genauso, wie ich es in Deutschland täte. Natürlich achteten wir zwar darauf, nachts nicht komplett alleine in zwielichtige Gassen zu gehen oder mit einer teuren Kamera durch die Gegend zu laufen, aber in vielen anderen Situationen hatten wir einfach mehr Glück als Verstand.
Im Nachhinein würde ich meinem 10 Jahre jüngeren Ich raten, einige der aufgestellten Regeln zu befolgen, da die meisten auch einen Sinn hatten. Und zu überlegen, ob es gerade wirklich angebracht war, sich so zu verhalten wie auch in Deutschland. Andererseits hätte ich mir selbst auch geraten, selbstbewusster zu sein und mich nicht wegen irgendwelchen unreifen Typen den Kopf zu zerbrechen. Aber so etwas ist immer leichter gesagt als getan. Sowieso besteht die Schwierigkeit darin, den feinen Grad zwischen mutigem, neugierigem Handeln und Sich-Darauf-Einlassen und gefährlicher Naivität nicht zu überschreiten. Es hätte mir auch geholfen, meine eigenen Werte und Prinzipien besser zu kennen und mich auch nicht um jeden Preis an die Erwartungen anderer anzupassen (zum Beispiel gegenüber frauenfeindlichen oder machistischen Verhaltens ). Manchmal war es schwer für mich zu wissen, ob ich bestimmte Regeln befolgen sollte und damit zwar sicher, aber langweilig sein würde oder sie nicht zu befolgen und damit evtl. zu riskieren, überfallen oder respektlos behandelt zu werden, aber auch mehr Abenteuer zu erleben und sich an die lokale Kultur angepasster und wie eine „Einheimische“ zu fühlen.
Ich entschied mich dafür, auf mein Bauchgefühl zu hören, welches im Endeffekt immer der beste Wegweiser für mich war. Mit den neuen Freiwilligen aus Spanien und der Schweiz fuhr ich öfter ins touristische Stadtzentrum um dort das Tages- und Nachtleben zu erkunden und fühlte mich dort auch immer sehr sicher.

Manchmal begleitet ich Alejandro, den Koch der Organisation, zum lokalen Markt, der weder touristisch noch schön war und trotzdem, oder gerade deshalb, genoss ich diese Einblicke in den Alltag der lokalen Bevölkerung so sehr. Sie gaben mir das Gefühl, die Kultur besser verstehen zu können, fernab der Verschönerung und Fassaden für den Tourismus. Mit einigen Sozialarbeiter*innen der Organisation durften Hannah und ich auch einige der Familien und alleinerziehende Mütter besuchen, die von Actuar por Bolívar Mikrokredite erhielten, um ihre eigenen Geschäfts-Ideen umzusetzen.
Dschungelwanderungen und Abwege

An manchen verlängerten Wochenenden oder in den Ferien machten Hannah und ich auch wieder sehr touristische Ausflüge, zum Beispiel zum Tayrona-Nationalpark um dort zu wandern, am Strand in Hängematten zu schlafen und bei Tauchtouren mitzumachen.
Der Tayrona-Nationalpark im Norden Kolumbiens ist ein großes Schutzgebiet, das sich von den Ausläufern der Sierra Nevada de Santa Marta bis zur Karibikküste erstreckt. Er ist bekannt für seine palmenbeschatteten Buchten, Küstenlagunen, Regenwald und seine reiche biologische Vielfalt. Die Ruinen von Pueblito im Herzen der Stadt sind eine archäologische Stätte, die über Waldwege zugänglich ist, mit Terrassen und Strukturen, die von der Tayrona-Zivilisation errichtet wurden (eigene Übersetzung, vgl. Parques Nacionales Naturales de Colombia).
Meiner Familie schrieb ich kurz in einer E-Mail, dass ich in den nächsten Tagen nicht erreichbar sein würde, da ich mit Hannah in den Dschungel gehen und eine Tauchtour machen würde und es dort kein Netz gäbe. Erst bei meiner Rückkehr nach Cartagena erfuhr ich, wie besorgt meine Mutter gewesen war und dass diese schon kurz davor gewesen war, einen Flug nach Kolumbien zu buchen und mich im Dschungel zu suchen. Dabei hatten Hannah und ich so viel Spaß!:) Es war nur etwas beängstigend, als wir nach stundenlangem Laufen durch den Wald (mit Ballerinas und FlipFlops!!!!) immer noch nicht ans Ziel (Campingplatz am Strand) kamen und es so langsam auf den Abend zuging. Insbesondere als wir plötzlich an einem menschenleeren felsigen Strand standen, vor dem ein Schild mit der Warnung ragte, dass an jenem Strand schon über 200 Personen ertrunken seien und man darauf Acht geben solle, nicht selbst Teil dieser Statistik zu werden!

Normalerweise startet man so eine Wanderung gut geplant, mit Wanderschuhen, genügend Trinkwasser und einem Zelt, einer Isomatte etc. im Gepäck. Das hatten wir, abgesehen von Wasser, alles nicht dabei. Nach anstrengendem Weiterlaufen über den felsigen Strand gelangen wir dann irgendwann zu einer Bucht und ans Ziel! So erleichtert war ich noch nie!

Leider hatten wir auch nicht damit gerechnet, dass es nachts am Strand doch etwas kühler wurde und auch ein nasses Handtuch keine gute Decke ist um draußen zu schlafen. Leider konnten wir uns aber nur die Hängematten direkt am Strand (und nicht die teureren Zelte) leisten. So gemütlich Hängematten zum Döse tagsüber sind, so beschissen sind sie dafür, wenn man einfach nur k.o ist und auf der Seite gedreht einschlafen möchte!
Völlig gerädert und unterkühlt wachten wir dann auf, als es frühs hell wurde und die ersten Leute aufstanden, um am Strand baden zu gehen. Wenn ich mich recht erinnere nahmen wir dann vom Strand aus wieder ein Motorboot zurück zum Festland, dass uns nach Santa Marta brachte.
Mein erstes Taucherlebnis: Einmal wie Arielle fühlen
In Santa Marta belegte ich auch den Tauchkurs bzw. den Tauchgang, bei dem mir ca. eine halbe Stunde lang das Tauchequippment erklärt wurde und einige Handzeichen für die Kommunikation unter Wasser. 30 Minuten später ging es mit einem Motorboot wieder zurück weiter aufs Wasser und weiter in die Nähe einer anderen, menschenleeren Bucht. In meinem Neoprenanzug und mit Sauerstoffflasche und Gewichten an der Hüfte (nicht mein eigenes Fett, sondern zusätzliche Gewichte) sollte ich mich dann auf den Rand des Bootes setzen und kopfüber nach hinten ins Wasser fallen lassen. Das habe ich erstaunlicherweise auch ziemlich elegant und professionell hinbekommen, nur mit der Kommunikation unter Wasser haperte es, weil ich bei diesem Teil nicht so ganz zugehört hatte (Ich will unter Wasser doch nicht reden! Tss….). Ich schwamm auf den nächstbesten Fisch zu den ich sah und der Tauchlehrer hob seine Hand zeigte seine Faust. Ich dachte in diesem Moment „Ja oder?! Ziemlich cooler Fisch!“ und schlug mit meiner Faust auf seine. Oben an Luft erklärte er mir dann, dass er nicht mit mir einschlagen wollte oder mir High Five geben wollte, sondern es das Zeichen dafür war, dass der Fisch giftig ist. Aber ist ja noch einmal alles gut gegangen. Wir tauchten bis zu 12 Meter tief und es war so schön und entspannend! Ich fühlte mich wie Arielle und begutachtete jeden kleinen Fisch und jede Koralle. Am Abend fuhr ich überglücklich von dieser ersten Taucherfahrung wieder zurück nach Cartagena und berichtete Hannah, natürlich bei einem Gläschen Rum-Cola, von meiner Erfahrung als Meerjungfrau. Diese Erfahrung gab mir auch die Idee, ein paar Projekt-tage zum Thema Wasser, Strand und Ozean im Kindergarten zu organisieren. Ich war total happy, als ich zufällig im Supermarkt eine „La sirenita“-CD fand (die kleine Meerjungfrau auf spanisch)! Zumindest waren die Projekt-Tage ein guter Vorwand die CD „für die Kinder“ zu kaufen, dabei war ich selber Arielle-Fan und wollte die CD hören. Besonders ging dann folgende Aktion von mir nach hinten los: Ich weckte Hannah, indem ich die CD in den Ghettoblaster steckte, neben ihr Ohr stellte und dann volle Pulle „Unter dem Meer“ aufdrehte. Wach war Hannah danach, aber auch stinksauer! Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, um das wieder gerade zu biegen. Ich glaube, sie ist heute noch davon traumatisiert. Die Kinder im Kindergarten waren auch nur so halb von meiner CD und den Projekttagen begeistert. Sowieso waren meine pädagogischen Methoden teilweise etwas fragwürdig. In die Geschichte des Kindergartens ist zum Beispiel meine selbst ausgedachte Story vom kleinen Jungen eingegangen, der seinen Freund die sprechende Tomate aß (ich wollte den Kindern nur beibringen, wie gesund und gut Gemüse ist).
Der Angriff der Killer-Krabbe
Unser Freiwilligen-Appartment befand sich auf dem Gelände der Organisation Actuar por Bolívar und war geschützt durch einen Zaun, Videoüberwachung und Security Guards! Einen Abend waren alle anderen Freiwilligen irgendwo unterwegs und nur ich war zu Hause. Plötzliche hörte ich von draußen Geräusche. Es schien, als wäre jemand vor der Tür. Es klang als würde jemand leise klopfen und manchmal auch an der Tür kratzen!! Und es hörte einfach nicht auf! Sofort musste ich daran denken, dass erst vor Kurzem ein Einbrecher über den Zaun geklettert war, um alle Glühbirnen draußen herauszudrehen und zu stehlen. Dann dachte ich an einen der Security Guards, der ein paarmal pro Woche im Kindergarten Dienst hatte und mir, seitdem ich ihm dummerweise meine Handy-Nummer gegeben hatte (weil er meinte er hätte Kontakte zu einem privaten Bus-Unternehmen und er uns helfen könne, einen Ausflug mit Bussen zu organisieren), jeden Tag mehrere SMS schrieb. Mein Panikgedanke war, dass er eventuell gesehen hatte, dass alle Freiwilligen außer mir die Wohnung verlassen hatten und außer uns, dem Hausmeister und dessen Familie und den Sicherheitsleuten war nachts niemand auf dem Gelände. Aber auch wenn es tatsächlich so wäre, dann klopft man doch ganz normal an eine Tür und nicht so spooky?! Ich male mir eine Menge Horror-Stories in Gedanken aus und bekam irgendwann so Angst, dass ich mich im Bad einschloss. Nach einer halben Stunde öffnete ich vorsichtig die Badtür und stellte mich Schrecken fest, dass das Klopfen/Kratzen an der Tür weiterging. Da wurde ich sauer! Wie kann man denn nur so unglaublich dreist sein! Diese Macho-Typen, die denken, dass sie alles mit einem machen können! Aber nicht mit mir! Genug ist genug!
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und griff mit klopfendem Herzen in die Besteck-Schublade und dann bewaffnet die Tür zu öffnen. Ich riss die Tür auf und hielt dem Gegner einen…LÖFFEL (aus Versehen daneben gegriffen) entgegen. Niemand war da. Ich schaute nach links und rechts, oben und unten – und, AHA, sah eine verdammte KRABBE!
Das war einfach nicht zu fassen, ich hatte den ganzen Abend über Todesangst wegen einer Krabbe! Und damit ihr den Schuldigen seht, wie ich ihn auf frischer Tat (Versuch des Haus-Einbruches) erwischt habe, hier ein Foto:

Wenn man denkt man hätte schon alles gesehen: Halloween und Weihnachten in Kolumbien
Eine meiner Lieblingsgeschichten aus Kolumbien, ist die von Hannah´s und meiner erschreckenden Erfahrung an Halloween. Obwohl das Erschreckende wohl eher wir für alle anderen waren. So bereiteten wir uns zu Hause sorgfältig für die Halloween-Party in einem Club vor. Hexen-Outfit für mich, mit einem zerfetzten Kleid und gruselig geschminkt und für Hannah auch ein selbst gebasteltes Dracula-Outfit aus alten Klamotten und ein komplett weiß geschminktes Gesicht mit Fake-Dracula-Zähnen und Blut. Unsere Schuhe wie immer: Ballerinas und FlipFlops. Vergnügt setzten wir uns ins Taxi und fuhren Richtung Club. Als wir dann aus dem Fenster schauten und sahen, wie die Kolumbianerinnen für die Party gestylt waren, fiel uns wirklich fast die Farbe aus dem Gesicht. Ok, auch in Deutschland nutzen viele Frauen die Gelegenheit, um sich an Halloween“sexy“ zu verkleiden, aber das war NICHTS im Gegensatz zu den Frauen, die wir in Cartagena sahen, und mit denen wir wahrscheinlich auf der selben Partymeile feiern würden. Deren Verkleidungen hatten überhaupt nichts mit Halloween zu tun und es sah aus, als hätten alle ihr Outfit in einem Sexshop ergattert, kombiniert mit extremen Highheels und langen, geglätteten Haaren und wunderschön geschminkten Gesichtern. Ich wünschte, ich hätte noch ein Foto von Hannah und mir, damit ihr sehen könntet, wie schön gruselig toupiert und mit Haarspray fixiert unsere Haare waren, wie wir im Gesicht aussahen, wie halb tot und unsere Klamotten einfach nur alte Fetzen waren. Weil hannah noch gruseliger als ich aussah, habe ich nur einen Lachanfall bekommen als Hannah sagte: „Scheiße! Foff (mein Spitzname im Kindergarten, dank eines kleinen Mädchens, das meinen Namen nicht aussprechen konnte)! Das ist nicht lustig! Wir gehen im Club SOFORT zum Bad! Ich muss wenigstens mein Gesicht abschminken!„.
Es hat ziemlich lange gedauert, bis Hannah die weiße Farbe abgewaschen bekam und trotz allen Rettungsversuchen, wurden wir trotzdem nur schief von der Seite angeguckt. Aber wir hatten trotzdem den lustigsten Abend überhaupt.
Weihnachtszeit in Medellín und Cartagena
Kurze Zeit später, Anfang Dezember, reiste ich nach Medellin um dort eine Freundin zu besuchen. die Vorweihnachtszeit mit ihr und ihrer Familie zu verbringen und die berühmte Weihnachtsbeleuchtung Medellins zu sehen. Am Abend erstrahlte ein ganzer Stadtteil Medellins in bunten Lichtern und es gab viele Essensstände mit Süßigkeiten oder anderen leckeren Sachen, Lichtshows mit Konzerten und Feuerwerken. Und das alles bei frühlingshaften Temperaturen.

Und nicht nur Medellín erstrahlt in buntem Licht:
„Ganz Kolumbien ist mit Licht aus öffentlich organisierter Beleuchtung erfüllt. Diese sind von einer solchen Größenordnung, dass sogar bestimmte Routen so gestaltet wurden, dass sie die gesamte Beleuchtung, das kulturelle Programm und die Feuerwerksvorführungen genießen können. Zu den prominentesten gehören die von Bogota, Medellin, Villa de Leyva und Cali“ (eigene Übersetzung, Patiño 2017: o.S.).
Allerdings kann es für Kolumbianer*Innen nicht kitschig genug sein und die ein oder andere weihnachtliche Wohnungseinrichtung, mit elektronischen tanzenden Weihnachtsmännern und bunt blinkenden Lichterketten am Plastik-Weihnachtsbaum wären wahrscheinlich ideal für einen aufregenden LSD-Trip. Aber auch ohne Drogen war es ein Hingucker, ob man wollte oder nicht. Ich wurde sehr lieb von Ana´s Familie aufgenommen. Da die Familie evangelisch war (und wahrscheinlich immer noch ist…) und sich bei Wohltätigkeits-Aktionen engagierte, wurde ich nicht nur in die vielen Kirchenbesuche mit eingebunden und erhielt von einem mit der Familie befreundeten Pfarrer das Angebot, spontan getauft zu werden sondern half auch, Pakete aus Grundnahrungsmitteln zusammenzustellen, die die Kirche an Ärmere verteilen würde. Für mich war das alles eine sehr neue Erfahrung und gab der Vorweihnachtszeit eine ganz andere Stimmung, als die, die ich sonst von zu Hause gewohnt war. Trotzdem lehnte ich freundlich das Angebot ab, im Urlaub evangelisch getauft zu werden und konzentrierte mich mehr darauf, mit Ana die Medellins Lichterwelt und das Nachtleben unsicher zu machen und die sogenannte „Novena“ zu feiern:
Diese neuntägige Andacht läuft vom 16. Dezember bis zum 24. Dezember, dem Tag, an dem die Geburt des Gotteskindes gefeiert wird. Während dieser 9 Tage wird um die Krippe gebetet, Weihnachtslieder gesungen, getanzt und Köstlichkeiten wie Pudding und Beignets geteilt. Heute ist es üblich, dass Novenen außerhalb des Hauses in Einkaufszentren, Parks und auf Plätzen gefeiert werden (eigene Übersetzung, vgl. Patiño 2017: o.S.).
Bevor ich wieder nach Cartagena zurückflog durfte ich ein paar dieser Novenen mit Ana und ihrer Familie feiern. Wir wurden zu verschiedenen Tanten, Onkels usw. eingeladen und es gab immer leckeres, kolumbianisches Essen, Wein und sogar Geschenke (auch für mich!). Zwischendurch sollte ich die Familie immer wieder in die Kirche begleiten. Einerseits hat mich das nach ein paar Malen etwas genervt und versuchte, aus der Kirche unauffällig herauszuschleichen, andereseits hat mich auch der feste Glaube der Familie sehr beeindruckt, da er sich durch deren ganzes Leben zog, den Alltag bestimmte und der Familie einen Halt und eine Sinnhaftigkeit gab, die ich für mich zu diesem Zeitpunkt auch noch suchte. Als ich einmal wieder ganz leise und heimlich die Kirche verließ um einfach draußen in der Sonne zu sitzen, kam mir beim Eingang eine ältere Dame entgegen, die mich, als sie sah, dass ich inmitten des Gottesdienstes die Kirche verließ, fragte, ob ich denn nicht an Gott glaubte. Ich wollte nicht direkt „Nein“ antworten um die Dame zu verärgern und druckste herum, dass ich das einfach nicht gewohnt, und auch nicht getauft sei und man ja nicht unbedingt an Gott glauben muss, aber trotzdem an eine höhere Kraft und die Liebe usw. Sie schaute mich misstrauisch an aber sagte dann: „Nagut, ich glaube du bist trotzdem eine gute Person“. Gut, hätten wir das auch wieder geklärt.
Strand, Rum und Salsa: Weihnachten in Cartagena

Zurück in Cartagena fühlte es sich dank des tropischen Wetters überhaupt nicht mehr weihnachtlich an. An Weihnachten aßen Hannah und ich bei einem Freund, dessen Mutter und dessen Bruder zu Hause und fuhren anschließend weiter zu anderen Freunden, wo auf der Terrasse schon Salsa-Musik lief und alle, inklusive der Oma, tanzten. Einmal Weihnachten ganz anders und auch sehr schön. Obwohl ich innerlich auch sehr Weihnachten mit meiner Familie vermisste, da es eine ganz besondere Tradition bei uns ist. Wohlgemerkt, nicht religiös und ohne Kirchengänge, aber dafür mit Kartoffelsalat und Wiener Würstchen und meinem Opa, der sich immer noch jedes Jahr als Weihnachtsmann verkleidet und die Wohnung zusammen mit meiner Oma sehr liebevoll dekoriert.
Nach dem vielem Essen, Tanzen und Rum-Cola trinken in Cartagena bis in die frühen Morgenstunden ließen Hannah und ich die Nacht am Strand ausklingen und begrüßten den neuen Tag müde, aber überglücklich und mit Meeresrauschen.

Der Weg ist das Ziel
Das dieses eine Jahr in Kolumbien so sehr Hannah´s und mein Leben beeinflussen würde, hätten wir beide zu Beginn nie geglaubt. Die vielen Erfahrungen und Begegnungen, sind mehr wert, als jede materielle Anschaffung. Und obwohl einiges manchmal auch nicht so glatt lief, ist die Lehre, die wir daraus ziehen durften enorm groß. Jede von uns hat versucht, einen kleinen oder großen Beitrag zu leisten. Und während wir noch dachten, wir könnten anderen helfen, haben die Menschen vor Ort eher uns geholfen, indem sie uns in ihren Wohnungen und Freundeskreisen aufgenommen haben, und ihre Kultur und neue Sichtweisen gezeigt haben. Wegen dieser Erfahrung kehrte ich im Studium noch einmal nach Kolumbien zurück, lernte wieder neue Menschen und Gegenden des Landes kennen und entschied mich, den Studiengang Lateinamerikanistik zu belegen, mit dem Wunsch, mein Leben lang mit diesem Kontinent in Verbindung zu bleiben. Hannah startete noch vor Ort in Cartagena einen Spendenaufruf unter Freunden und Bekannten um die Gelder für die Augen-OP eines kleinen Mädchens zusammen zu sammeln und kehrte häufig nach Cartagena zurück, wo sie sich in ihren Freund verliebte, mit dem sie erst vor Kurzem eine unglaublich süße Tochter bekommen hat! Ich kann einfach nicht glauben, dass schon 10 Jahre seit diesem einflussreichem Jahr vergangen sind!

Und um das zu feiern, teile ich mit euch in meinem nächsten Post meine BESTEN KOLUMBIEN-REISETIPPS, mit denen ihr jetzt schon eure nächste große Reise nach überstandener Corona-Zeit planen oder euch einfach zu kolumbianischen Kolonialstädten, Piratenfestungen, Traumstränden, Regenwäldern und dem Kaffeedreieck hin träumen könnt.
Bis bald! Eure Sophie